Jedermannsrechte
Ein kleiner "Merkzettel"
Das Jedermannsrecht darf, wie der Name vermuten lässt, ein jeder anwenden um Schaden von sich oder anderen abzuwenden bzw. sich und andere in einer Notsituation zu schützen wenn hoheitliche Hilfe (Polizei) nicht sofort verfügbar ist.
Rechtfertigungsgründe
Notwehr, § 32 StGB (Strafgesetzbuch)
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Notwehr, § 227 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
(1) Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.
(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Notwehr, § 15 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten)
(1) Wer eine Handlung begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
(3) Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird die Handlung nicht geahndet.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Notwehr bedeutet, Du darfst Dich gegen einen gegenwärtigen (unmittelbar bevorstehenden, gerade andauernden, noch nicht beendeten), rechtswidrigen Angriff auf dich oder einen anderen mit der erforderlichen (mildestes Mittel, das den Angriff sofort beendet) und gebotenen (nicht unverhältnismäßigen) Verteidungung zur Wehr setzen.
ALLE Rechtsgüter eines Menschen sind notwehrfähig! (Also z.B. auch Eigentum)
Beispiel: Du bist auf einer Party. Ein Typ baggert Dich unentwegt an, obwohl Du ihm mehrfach gesagt und signalisiert hast, dass Du kein Interesse an ihm hast. Er wird immer aufdringlicher und fängt an, Dich zu berühren. Du gibst ihm eine saftige Ohrfeige.
>>> Weshalb gibt es 3 Notwehr Paragraphen?
Die Notwehr im StGB schützt Dich vor Verurteilung im Strafprozess, die im BGB vor Schadensersatzansprüchen in Zivilprozessen und die im OWiG z.B. vor Bußgeldern.
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Weitere Rechtfertigungsgründe
Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Der rechtfertigende Notstand erlaubt Dir, eine rechtswidrige Tat zu begehen wenn Du dadurch Gefahr für etwas viel Wichtigeres abwenden kannst.
Beispiel: Im Hochsommer sitzt ein Kind in einem (fremden) Auto mit geschlossenen Fenstern und droht einen Hitzschlag zu erleiden. Du darfst das Autofenster einschlagen um das Kind zu retten. Oder auch: Dein sturzbetrunkener Kumpel besteht darauf, noch Autofahren zu können obwohl er kaum noch gerade stehen kann. Du darfst ihm zu seiner eigenen Sicherheit und dem Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer den Autoschlüssel abnehmen bis er wieder nüchtern und fahrtauglich ist.
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"Verteidigender" Notstand, § 228 BGB (auch Defensivnotstand genannt)
Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Mit dem verteidigenden Notstand kannst Du Dich gegen eine Gefahr wehren die von einer Sache oder einem Tier ausgeht. Natürlich musst Du die Verhältnismäßigkeit beachten.
Beispiel: Du liegst im Garten und sonnst Dich, da kommt die mit einer Kamera ausgestattete, ferngesteuerte Drohne des Nachbarn direkt auf Dich zugeflogen. Du schlägst nach der Drohne, sie stürzt auf den Boden und wird dabei zerstört.
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"Angreifender" Notstand, § 904 BGB (auch Agressivnotstand genannt)
Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Eigentümer kann Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Mit dem Agressivnotstand wird dem Eigentümer einer Sache untersagt die Beschädigung oder Zerstörung seines Eigentums zu verbieten, wenn damit eine andere, größere Gefahr abgewendet werden kann.
Beispiel: Bei einer Gartenparty stolpert ein Gast unglücklich, stößt dabei den Grill um und die glühenden Kohlen stecken einen Rosenbusch in Brand. Du rennst zum Nachbarn und reißt den Feuerlöscher von der Wand im Wintergarten um damit das Feuer zu löschen. Selbst wenn Dein Nachbar tobt und schimpft - er darf Dir die Nutzung seines Feuerlöschers nicht verbieten.
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Entschuldigender Notstand, § 35 StGB
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Im Gegensatz zum rechtfertigenden Notstand bleibt die Tat beim entschuldigenden Notstand rechtswidrig. Der Täter handelt jedoch „ohne Schuld“. Es muss eine Notstandslage vorliegen. Die geschützten Rechtsgüter sind „Leben“, „Leib“ und „Freiheit“. Im Gegensatz zum rechtfertigenden Notstand schützt § 35 nicht „Eigentum“ und „Ehre“. Außerdem beschränkt er sich auf den Täter selbst und ihm unmittelbar nahestehende Personen oder Angehörige.
Beispiel: Das Schiff sinkt. Statt den Kindern Deines Nachbarn rettest Du lieber Deine eigenen Kinder, auch wenn die des Nachbarn schneller zu erreichen gewesen wären.
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Selbsthilfe, § 229 BGB
Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Selbsthilfe nach § 229 erlaubt Dir die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruchs, vorausgesetzt die Polizei trifft nicht rechtzeitig ein und es besteht die Gefahr, dass der Täter z.B. flüchtet und Du so auf dem Schaden "sitzenbleibst". Ich weiß, das klingt in etwa genau so umständlich wie das eigentliche Gesetz, klarer wird es mit einem
Beispiel: Du beobachtest, wie jemand Dein Fahrradschloss knackt und mit Deinem Rad davon fährt. Sofort rennst Du hinterher aber er ist zu schnell und Du kannst ihn nicht einholen. Zwei Tage später läuft er Dir zufällig über den Weg und Du erkennst ihn wieder. Schnell hältst Du ihn fest, während Du sofort die Polizei holst um festzustellen wie er heißt und wo Du Schadensersatzansprüche geltend machen kannst. Selbstverständlich darfst Du ihn nur solange festhalten, bis die Polizei da ist.
Der Unterschied zur vorläufigen Festnahme (§ 127 StPO) ist der dass Du ihn -wie beschrieben- nicht nur auf frischer Tat, sondern auch danach noch festhalten darfst um Deinen Anspruch geltend zu machen. Bei der Selbsthilfe geht es darum, zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Der Täter muss also mindestens 7 Jahre alt sein. Bei der vorläufigen Festnahme muss der Täter mindestens 14 Jahre alt sein um strafrechtlich verfolgt werden zu können.
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Selbsthilfe des Besitzers, § 859 BGB
(1) Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.
(2) Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen.
(3) Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen.
(4) Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muss.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
§ 859 BGB erlaubt Dir, als Besitzer einer Sache notfalls Gewalt anzuwenden um sie zurück zu bekommen, wenn ein Täter eben diese entwendet hat.
Beispiel: Du schlenderst Eis essend und auf Dein Handy schauend durch die Stadt, da rennt ein Dieb auf Dich zu und klaut Dir Dein Handy. Du rennst hinterher und entreisst ihm unwirsch das Handy, wobei er sich das Handgelenk verdreht.
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Vorläufige Festnahme, § 127 StPO (Strafprozessordnung)
(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.
>>> Was heißt das auf Deutsch?
Die vorläufige Festnahme berechtigt Dich dazu jemanden festzunehmen, den Du auf frischer Tat, also praktisch "in flagranti" bei der Begehung einer Straftat ertappt hast.
Beispiel: Du beobachtest jemanden auf frischer Tat, wie er das Kellerfenster Deines Nachbarn eintritt um sich so Zugang zum Haus zu verschaffen. Da Du annehmen musst, dass derjenige flüchten will, nimmst Du ihn fest bis die Polizei eintrifft.
Alle Angaben sind nach besten Wissen und Gewissen zusammengetragen, ich garantiere nicht dass alles fehlerfrei, vollständig und auf dem neuesten Stand ist. Diese Übersicht dient als kleine "Merkhilfe" und nicht als Rechtsberatung oder alleinige Prüfungsvorbereitung.